Ecken und Kanten

Wenn ich mein heutiges Ich mit meinem Ich vor einem Jahr vergleiche stelle ich tatsächlich fest, dass sich einiges getan hat. Eine ähnliche Feststellung habe ich bereits vor eineinhalb Wochen getan. Mir gehts es mental viel besser, aber auch mein Verhalten und mein Denken hat sich auf einigen Ebenen gewandelt. Vieles davon habe ich bereits in eben diesem genannten Artikel schon abgehandelt. Aber ich finde, mein Selbstwert und mein Perfektionismus – die mich noch im letzten Jahr stets begleitet haben – kommt noch etwas zu kurz. Denn nicht nur mein Selbstwert ist wieder deutlich deutlich höher gestiegen – ich habe sogar gelernt, mich selbst zu mögen und vielleicht sogar auch zu lieben. Aber zumindest erstmal so zu akzeptieren wie ich bin. Das fiel mir im letzten Jahr noch sehr schwer. Beispiele dafür findest du hier, hier oder hier (Triggerwarnung an dieser Stelle!). Diese Beiträge von mir zu lesen, machen mich jetzt auch noch im Nachhinein sehr traurig. Umso glücklicher und dankbarer bin ich, dass ich mit gutem Gewissen sagen kann, dass solche Gedanken schon lange nicht mehr (vor allem nicht in dem Ausmaß) in meinem Kopf herumgeisterten. Es zeigt mir aber auch gleichzeitig, dass man das nicht selbstverständlich nehmen sollte und bei Veränderungen direkt entgegensteuern sollte, um so etwas zu verhindern.

Nun aber zum Perfektionismus. Wie bereits gesagt, verfolgte mich der Perfektionismus im letzten Jahr und eigentlich auch schon viel länger sehr stark und war nicht selten ein Auslöser meiner negativen Gefühle gegen mich selbst. Heute habe ich einen Bascetta Stern gebastelt. Ich habe das Papier und die Anleitung schon ewig rumliegen gehabt und hatte es immer vor, nun habe ich es auch mal gemacht. Es hat viel Spaß gemacht, aber war natürlich auch (vor allem zum Ende hin) eine echte Fizzelarbeit. Und natürlich ist er auch nicht so perfekt geworden, wie jene, die man manchmal auf Weihnachtsmärkten kaufen kann. Aber ich habe ihn selbst gemacht. Ich habe ihn ganz alleine gemacht, mir viel Mühe gegeben und es war auch das erste Mal, dass ich einen solchen Stern gebastelt habe. Und dafür sieht er wirklich schön aus.

Wenn ich diese Ansicht damit vergleiche, wie ich es vermutlich noch vor einem Jahr gesehen hätte, ich sehe deutliche Unterschiede. Letztes Jahr hätte ich bereits nach der ersten Reihe (bei der ich erkannt habe, dass der Stern aufgrund kleiner ungenauer Faltungen eben nicht perfekt wird) aufgegeben, mich selbst fertig gemacht und es vermutlich auch nicht nochmal versucht. Heute sehe ich ihn ganz anders. Er ist schön, mit allen Ecken, Kanten und auch Macken. Denn die machen ihn einzigartig und irgendwie auch besonders. Ich habe mein bestes gegeben und ich bin nunmal keine Maschine. Das sind wir alle nicht. Wenn man sich in der Welt umschaut, gibt es eigentlich nichts, was perfekt ist. Alles auf der Welt hat kleine Macken. Ecken und Kanten. Jeder einzelne von uns. Und genau das unterscheidet uns voneinander und macht uns eben einzigartig. Jede Arbeit, Produkt oder Handlung, die du entwirfst, durchführst und mit der du dich auseinandersetzt ist einzigartig. Einzigartig auch dadurch, dass sie nicht perfekt ist. Höchstens durch Maschinen entstehen diese Annäherungen ans Perfekte. Aber was ist überhaupt Perfekt? Ist Perfekt nicht auch immer irgendwie subjektiv?

Vielleicht hilft es dir, wenn du (wie ich auch noch im letzten Jahr) zu vieles zu perfekt siehst oder zu perfekt machen möchtest. Schau dich einmal genau in der Welt um. Was um dich herum ist perfekt? Nichts und irgendwie auch alles. Denn alle Gegenstände, Handlungen etc. sind in ihrer Unperfektheit perfekt. Denn genau das macht sie einzigartig. Und das macht sie auch schön. Wenn du etwas gemacht hast und es dir anschaust. Vielleicht ein paar Fehler oder Makel siehst. Ist es nicht trotzdem schön zu wissen, dass du das selbst gemacht hast? Dass du dein Bestes gegeben hast? Es dir vielleicht auch Spaß gemacht hat? Diese perfekte Unperfektion auch einfach dich und deine Arbeit widerspiegelt?